Reinhard Mey: Ich Glaube Nicht

Hin und wieder geil' ich mich und geh' hart mit mir ins Gericht
Und befrag' mich hochnotpeinlich, ob ich glaube oder nicht
Nur ein bichen Folter und schon erpress' ich mir den Beweis
Dass ich erstens gar nichts glaube und zweitens gar nichts wei
Ich glaub' nur, dass wenn es ihn tatschlich geben sollte
Er, was hier in seinem Namen abgeht, gar nicht wollte!
Erstmal glaub' ich, dass die Weihwasserbeckenfrsche ihn stren
Und die viel zu groen Huser, die angeblich ihm gehren
Glaubt ihr denn, er ist auf Lakaien und Grundbesitz erpicht?
Ja-Sager und Immobilien?
Ich glaube nicht!

Ich glaub' nicht, wenn es ihn wirklich gibt, dass er's beraus liebt
Dass sich jemand hartnckig als sein Stellvertreter ausgibt
Und sich fr unfehlbar hlt. Ich glaub nicht, dass es ihm gefllt
Dass man ihm krause Ansichten als 'sein Wille' unterstellt
Ich verwette mein Ges: Brimborium und Geplnkel
Mummenschanz und Rumgeprotze gehn ihm auf den Senkel
Dieses Ringekssen, diese selbstgefll'gen Frmmigkeiten
Dies in seinem Namen Eselei'n und Torheiten verbreiten
Glaubt ihr, dass er will, dass irgendwer an seiner Stelle spricht?
Irgend so ein kleines Licht?
Ich glaube nicht!

Ich glaub' nicht, dass er in seiner Weisheit, seinem ew'gen Rat
Sowas Abartiges ausgeheckt hat wie den Zllibat
Denn sonst htt' er sich zum Arterhalt was andres ausgedacht
Und uns nicht so fabelhafte Vorrichtungen angebracht
Welch ein Frevel, daran rumzupfuschen, zu beschneiden
Zu verstmmeln! Statt sich dran zu erfreu'n, dran zu leiden!
Und wenn Pillermann und Muschi nicht in den Masterplan passen
Glaubt ihr nicht, er htt' sie schlicht und einfach weggelassen?
Glaubst du Mensch, armsel'ger Stmper, du berheblicher Wicht
Dass du daran rumschnippeln darfst?
Ich glaube nicht!

Ich glaub' nicht, dass ihm der Hllenlrm etwas bedeutet
Wenn man in die gttliche Ruhe hinein die Glocken lutet
Ich bin sicher, dass er es als schlimme Lsterung betrachtet
Wenn man, um ihn zu bestechen kleine Lmmerchen abschlachtet
Und er muss sich sofort bergeben, denkt er nur ans Schchten
Oder an die schleim'gen Heuchler, an diese gottlosen Schlechten
Die scheinheilig die Kinderlein zu sich kommen lassen
Und ihnen in die Hose fassen!

Ich glaub' nicht, dass er in euren pompsen Palsten thront
Ich glaub' eher, dass er beim geringsten meiner Brder wohnt
Eher bei den Junkies, bei den Trebern im Park als in Rom
Eher in den Slums, den Schlachthfen, den Ghettos als im Dom
Im Parterre bei Oma Krause, in der Aldi-Filiale
Eher auf dem Straenstrich als in der Kathedrale
Wo Schiefkpfige, Hndeknetende Schuldgefhle schren
Eitel, selbstgerecht, als wrden sie IHN an der Leine fhren
Eher als in eurer dstren, modrig-lustfeindlichen Gruft
Sitzt er unter freiem Himmel in der lauen, klaren Luft
Neben mir auf der Bank vor der Gartenlaube
Bei einer Flasche Deidesheimer Herrgottsacker
Ja, ich glaube!

Ja, ich glaube!